Triggerwarnung: sexueller Missbrauch

Für meine dritte Buchbesprechung habe ich mir das Buch „Das dunkle Flüstern der Schneeflocken“ von Sif Sigmarsdóttir ausgesucht. 

Es geht um Hannah, die mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter in England lebt. Doch dann stirbt ihre Mutter und Hannah fliegt von der Schule, da sie auf illegalem Weg einen Betrug an ihrer Schule aufgedeckt hat. Sie zieht deshalb zu ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihren Halbgeschwistern nach Reykjavik in Island. Dort kann sie ein Praktikum in der Redaktion ihres Vaters machen.

Gleichzeitig geht es um Imogen. Sie ist Anfang Zwanzig, Influencerin und Marketing-Managerin bei einer Londoner Firma namens „London Analytica“. Auf Instagram hat sie über eine Million Follower und wenn man sich ihren Feed (=ihre Beiträge) anschaut, könnte man denken, dass sie ein glückliches, fast schon perfektes Leben hat. Doch eigentlich ist es ganz anders. Früher hat sie gerne Social Media Posts gemacht und hatte nie die Intention, Influencerin zu werden, doch irgendwann hatte sie plötzlich eine riesige Reichweite und hat alle paar Tage Kooperationsanfragen bekommen. Unbemerkt ist sie so sehr in das Influencerin-Sein reingerutscht, dass sie sich davon abhängig gemacht hat. Likes, Kommentare und Follower wurden ihr immer wichtiger und ihre Stimmung hing davon ab. Doch mittlerweile ist ihr das bewusst geworden und sie versucht gezielt, dagegen zu arbeiten. Doch das ist nicht so einfach, denn sie hat noch ein anderes Problem. Vor einem Jahr hat ihr Kollege aus der Uni, Mördur,  versucht, sie zu vergewaltigen. Sie bekommt das seitdem nicht mehr aus dem Kopf und kann viele Situationen nicht aushalten. Ihr Kollege wohnt mittlerweile in Island und Imogen ist ja in England. Daher kommt sie langsam etwas besser klar. Aber dann soll sie nach Island und dort in einem Labor arbeiten, in dem auch Mördur arbeitet. Sie lehnt natürlich ab. Doch als sie in einer Email, die versehentlich an sie und nicht an ihre Chefin gegangen ist, erfährt, dass London Analytica mithilfe des Labors in Island das Leiden tausender junger Mädchen ausnutzen will, um Geld zu machen, beschließt Imogen, nach Island zu gehen, um diese Geschichte auffliegen zu lassen.

Imogen und Hannah sind also beide in Island. Durch die Redaktion, in der Hannah das Praktikum macht, lernen sie sich kennen. Doch Imogen ist sehr neben der Spur und so findet Hannah sie ziemlich unsympathisch. Bei einem Vortrag wird Imogen schließlich festgenommen, da sie jemanden umgebracht haben soll. Da fällt Hannah ein, dass sie bei ihrer Ankunft in Island auf dem Weg vom Flughafen nach Reykjavik mitbekommen hat, wie eine Leiche in einem Lavafeld gefunden wurde. Sie beginnt zu ermitteln. Die Leiche ist Mördur Pordason, also der Mann, der damals Imogen vergewaltigen wollte. Dadurch rückt sie natürlich in den Verdacht. Allerdings findet Hannah bei ihrer Recherche noch viele andere Verdächtige, zum Beispiel auch die Mafia und gerät immer weiter in diesen Fall, was sie auch fast das Leben kostet…

Die Geschichte ist ziemlich gut zu lesen. Alles ist gut beschrieben und man kann sich sehr gut vorstellen, wie alles aussieht und wie sich die Charaktere fühlen. Es kommt immer abwechselnd ein Kapitel, wo es um Hannah geht und eins, wo es um Imogen geht. Imogens Kapitel spielen weit vor Hannahs, sodass der Mord bei Hannah schon vorbei und bei Imogen erst am Ende des Buches ist. Das ist eine richtig gute Idee, weil man so immer ein bisschen mehr weiß als die Buchfiguren, aber trotzdem nicht zu viel. Allerdings ist dieser Stil auch etwas verwirrend, da bei Imogen aus der Erzähl-Perspektive und bei Hannah aus der Ich-Perspektive geschrieben ist und man dann manchmal durcheinander kommt.

Was mir sehr gefällt, ist dass Hannah am Ende des Buches etwas sehr schönes sagt. Sie erzählt, dass „normal sein“ in der heutigen Welt „perfekt sein“ bedeutet und „normal sein“ eigentlich total überbewertet ist. Man lernt viel über den trügerischen Schein von Social Media. Des Weiteren mag ich das Ende sehr gerne, da es einen zum Schmunzeln bringt. Außerdem wird auch beschrieben, wie sich jemand fühlt, der so etwas schlimmes wie eine Vergewaltigung bzw. in diesem Fall versuchte Vergewaltigung erlebt hat. Das ist ein guter Weg darauf aufmerksam zu machen. Allerdings finde ich, dass eine Triggerwarnung am Anfang des Buches oder im Klappentext fehlt, da der sexuelle Missbrauch detailliert beschrieben wird und somit manche Menschen triggern könnte.

Insgesamt gefällt mir dieses Buch sehr gut und ich würde 5 von 5 Sterne geben. Es ist schwierig zu sagen, ab welchem Alter das Buch geeignet ist. Auch schon für 11-jährige ist es wichtig zu wissen, dass Social Media oft fake ist, aber der sexuelle Missbrauch im Buch könnte für sie vielleicht verstörend sein. Deswegen würde ich es ab ca. 14 Jahren empfehlen, wenn man sich sicher ist, dass man mit den Inhalten umgehen kann.

Hannah

Aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Thiele
Loewe Verlag
ab 14 Jahren
432 Seiten
ISBN 978-3-7432-0721-9
€ 14,95

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